Teambuilding

Transformation ist für viele unglaublich kryptisch.

WirWirkt Kaffeepause mit… Joline Macek, Betriebsratsvorsitzende Dormagen der Currenta GmbH & Co. OHG.

Ich spreche mit Joline, weil

  • ich sie in meiner Rolle als Arbeitgebervertreter beim gemeinsamen Einsatz für unser Herzensthema Ausbildung sehr schätzen gelernt habe,

  • wir die im Betriebsverfassungsgesetz geforderte „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ wirklich gelebt haben,

  • ich mir mehr Betriebsräte wünsche, die sich gleichzeitig so leidenschaftlich, pragmatisch und mit ökonomischer Vernunft wie Joline für die Interessen der Belegschaft einsetzen.

Was ist dein Beruf und sollten wir sonst noch über dich wissen?

Beruf kann ich Betriebsarbeit nicht nennen. Es ist ein Ehrenamt, wofür es keine Ausbildung gibt. Für mich ist es Überzeugung. Ein Betriebsrat ist dann gut, wenn er einen starken Gerechtigkeitsimpuls hat und ihm folgt. Meine Hauptaufgabe ist: den Menschen helfen, denen Unrecht widerfährt, die Hilfe brauchen und die vielleicht noch nicht in der Lage sind, dass für sich selbst zu formulieren.

Meine Stärke ist gleichzeitig meine Schwäche. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitsimpuls und wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, dann habe ich damit echt zu kämpfen. Und wer berät den Betriebsrat, wenn der Betriebsrat mal in Schwierigkeiten gerät?

Als langjährige Betriebsrätin – was zeichnet für dich gute Führung aus?

Gute Führung ist für mich vor allem, ansprechbar zu sein. Das ist schwierig bei der Taktung, die wir alle haben. Auch für mich. Gute Führungskräfte sind in der Lage, sich auch Unterstützung bei den Arbeitnehmervertreter:innen zu holen. Denn gemeinsam haben wir das gleiche Ziel: Wir wollen zufriedene Beschäftigte. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen Erfolg fürs Unternehmen. Der Arbeitgeber würde wahrscheinlich die Reihenfolge drehen.

Gute Führungskräfte vertrauen. Das ist gerade jetzt aufgrund von neuen Arbeitsmethoden und weniger Präsenz vor Ort elementar. Es ist auch Hausaufgabe des Unternehmens, die Führungskräfte zu befähigen. Wir erwarten beispielsweise sehr viel von Nachwuchsführungskräften, die frisch von der Uni kommen. Fachlich sind die super. Was dann aber fehlt, ist der Tanz mit den Menschen.  Es gibt viele Führungskräfte, die Personalführung gar nicht machen möchten. Das kann man nicht so einfach lernen. Wenn wir Menschen in Führungspositionen bringen, denen das weder liegt noch gefällt, tun wir denen keinen Gefallen und den Menschen, die sie führen, umso weniger.

Als ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Teams gilt das Vorhandensein psychologischer Sicherheit. Dass es eine Arbeitsatmosphäre gibt, in der Teammitglieder offen Fehler zugeben können, verletzlich sein sowie Kritik, Fragen und andere Meinungen äußern dürfen, ohne negative Konsequenzen zu befürchten. Wie erlebst du das in der Praxis?

In unserem kleinen, freigestellten Betriebsratsteam in Dormagen arbeiten wir daran jeden Tag. Vorbild zu sein, ist ganz wichtig. Wenn ich Fehler zugebe, bin ich da sehr transparent. Ich sage, dass es mir leidtut, wenn ich etwas verbaselt habe. Die meisten Menschen sind dann richtig verlegen und sagen, ich bräuchte mich doch nicht entschuldigen. Aber doch. Es ist genau richtig, das zu tun.

In unserem Unternehmen haben wir da noch Luft nach oben. Viele unserer Führungskräfte, die als Vorbild fungieren müssten, sprechen selbst nicht frei über ihre Fehler. Das könnte in dieser sehr fachlichen und auch eher Männer-dominierten Welt wie hier im Chemiepark eher als Schwäche ausgelegt werden.

Die Beschäftigten brauchen Zeit und Raum für solche Themen. Als Mitarbeitende weiß ich oft nicht, ob meine Führungskraft gerade Zeit hat, darüber zu sprechen. Das wird nicht von heute auf morgen funktionieren und auch mein Team arbeitet heute noch jeden Tag daran, dies irgendwann richtig gut zu können.

 

Wie sind deine Erfahrungen mit mobilem Arbeiten seit Corona? Ich denke da weniger an die Produktionsbereiche, sondern vor allem an die Arbeitsbereiche, in denen Home-Office möglich ist.

Mobiles Arbeiten ist für die Menschen in der Produktion eine Luxusdiskussion, auch wenn es Herausforderungen darstellt. Mobiles Arbeiten liegt nicht jedem Menschen. Gut sortierte und systematisch arbeitende Menschen, geht es besser von der Hand. Andere waren während Corona etwas verloren und hatten nicht den Anknüpfungspunkt, den sie brauchten. Ihnen fehlten die klaren Parameter. Alleinlebende fühlten sich teils einsam. Und als wir dann angefangen haben, uns wieder mehr in Präsenz zu treffen, habe ich erst einmal Distanz wahrgenommen. Das brauchte eine Weile, bis sie abgeschmolzen war.

Wenn wir als Unternehmen wieder eine 100%ige Präsenzpflicht erzwingen würden, verlören wir viele Menschen. Es hat Vorteile, vor Ort zusammenzukommen. Die soziale Komponente ist sehr stark. Dafür braucht es bei uns ein paar Freiheiten im Kalender, um zum Beispiel überhaupt die Chance auf eine Kaffeepause mit den Kolleginnen und Kollegen zu bekommen. Wir alle wissen, wie wichtig solche informellen und zufälligen Arbeitsgespräche sind.

In deiner Rolle hast du schon große Change-Vorhaben im Unternehmen begleitet. Was sind deiner Meinung nach wichtige Punkte, die Mitarbeitenden dabei gut mitzunehmen?

Wir als Betreiber der drei Chempark-Standorte in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben die Mission, den nachhaltigen Chemiepark der Zukunft zu gestalten. Transformation ist für viele unglaublich kryptisch. Die Menschen vor Ort müssen wissen, was Transformation in der täglichen Arbeit bedeutet. Was bedeutet das für die Menschen, die mit mir arbeiten? Für meinen Sohn, meine Tochter, die hier in der Ausbildung sind? Kriege ich das noch auf die Kette? Werde ich qualifiziert, wenn sich Technologien verändern oder digitalisiert werden?  Wer ist für mich da, wenn ich das nicht schaffe?

Das ist das A und O für mich: Die Menschen auf dem Laufenden zu halten. Im Moment ist es für viele noch nicht greifbar genug. Wenn sie aber an ihren Arbeitsplätzen konkret die Veränderungen erleben, müssen wir immer intensiver kommunizieren. Gerade als Betriebsräte hören wir ehrlichere Ansicht von den Mitarbeitenden. Vor uns wird ungefilterter formuliert als in der Öffentlichkeit oder gegenüber Führungskräften. Veränderung ist für viele totaler Stress und mit Ängsten behaftet. Dahinter stecken Gründe, die man einfach ernst nehmen muss. Was ja nicht bedeutet, dass alles schlimm kommt.

Es braucht Vertrauen und Menschen vor Ort, die ein Ohr schenken, die Zeit haben, die Sorgen annehmen und dann auch Lösungen mitbringen.

Wie gestaltest du als BR-Vorsitzende Teamentwicklung?

Mit freigestellten und nicht-freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die ständig in Terminen sind und sich zusammen nur alle 2 Wochen sehen, ist das schwierig. Wir gehen regelmäßig alle zwei Jahre in Klausur. Gerade wenn das Gremium neu gewählt ist, unterstützen wir mit Teamfindungsmaßnahmen. Das müsste noch häufiger passieren.  

Ein Bedürfnis danach sehe ich schon. Beispielsweise hatten wir in einer Gesundheitsbefragung eine starke Belastungssituation erkannt. Die Belastung konnten wir dann reduzieren, in dem wir gezielt mehr Freiräume eingeräumt, die technische Ausstattung für nicht-freigestellte Betriebsratsmitglieder aus der Produktion verbessert und Führungskräfte für die zeitlichen Herausforderungen der Betriebsratsrolle sensibilisiert haben. Ich freue mich schon auf die nächste Befragung. Dann werden wir sicherlich neue Impulse erhalten, woran wir als Team arbeiten können.

Im Paragrafen 2, Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sogar gesetzlich vorgeschrieben. Jetzt wissen wir: vorschreiben lässt sich das nicht. Könnten da nicht auch Teamworkshops zwischen beiden Parteien helfen? Oder besser gesagt Workshops, die Zusammenarbeit miteinander stärken?

Das fände ich als neuen Ansatz richtig super. Ich glaube, er hat noch nicht so Anklang gefunden aufgrund der politischen Rollen, die wir haben. Ob sich das so gehört, ob das politisch so gewollt ist oder ob vielleicht eine gewisse Distanz einfach für die Professionalität von beiden Seiten aus gewünscht ist.

Gibt es etwas, das du mich noch fragen möchtest? 

Welche Impulse glaubst du, kannst du einen Betriebsratsgremium oder einem Unternehmen wie Currenta mit den entsprechenden Funktionen geben? Welche Idee hast du für uns?

Ja, aus meinen früheren Erlebnissen als Arbeitgebervertreter glaube ich tatsächlich, dass Workshops mit dem Betriebsrat und der Geschäftsführung oder Führungskräften sinnvoll sind. Workshops, die konkret die Art der Zusammenarbeit und auch psychologische Sicherheit behandeln. Wenn ich den Begriff der vertrauensvollen Zusammenarbeit ernst nehme, könnten solche Workshops große Strahlkraft ins Unternehmen hinein erzeugen. Und dabei geht es gar nicht darum, dass beide Rollen Freunde werden.

Und was grundsätzlich in Unternehmen – bestimmt auch bei Currenta – zu kurz kommt, ist kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Teams zu arbeiten. Das sage ich natürlich auch aus einer Berufung heraus. Ich bin regelmäßig irritiert, wenn ich mich mit Bekannten über ihre Erfahrungen austausche, wie Führungs- oder Kommunikationsthemen in ihren Organisationen angegangen werden. Wie oft höre ich Menschen über ihre Chefs oder Kolleginnen klagen. Das erlebe ich täglich, wenn ich anderen Gesprächen zuhöre. Sei es in der Straßenbahn, im Café oder auf dem Fußballplatz. Teamentwicklung ist tägliche Arbeit und kostet auch, aber der Ertrag ist meines Erachtens am Ende deutlich höher.

Inklusion am Arbeitsplatz ist kein Hexenwerk.

WirWirkt Kaffeepause mit… Marion S. Frohn, Geschäftsführerin der Behinderten-Gemeinschaft Bonn.

Ich spreche mit Marion, weil

  • sie mit Herzblut für mehr Teilhabe und Inklusion eintritt und ein Glücksfall für die Behinderten-Gemeinschaft Bonn ist,

  • sie mich bei jedem Treffen mit ihren Ideen und Gedanken neu inspiriert,

  • ich für mehr Inklusion in Unternehmen und der Gesellschaft werben möchte.

Was ist dein Beruf?

Ich bin Sozialpädagogin und Geschäftsführerin der Behinderten-Gemeinschaft Bonn (BG Bonn). Die BG Bonn ist ein gemeinnütziger Verein, der hier in Bonn die Aufgabe der Behindertenbeauftragten hat. Dieses Konstrukt ist bundesweit einmalig. Unser haupt- und ehrenamtliches Team setzt sich zusammen aus Menschen mit und ohne Behinderung. Wir arbeiten alle gemeinsam am Thema Inklusion und Teilhabe für Bonn.

Was ist sonst noch wichtig über dich zu wissen?

Außerdem bin ich Expertin für das Thema Leichte und Einfache Sprache. Das heißt, ich übersetze Texte und zeichne Piktogramme dazu, damit Menschen, die sprachlich nicht so fit sind, auch Texte gut verstehen können. Ich bin leidenschaftliche Tänzerin und tanze in der Bonner Inklusions-Tanzgruppe InkluDanza.

Lass uns bitte vorab eine Begriffsklärung machen. Es gibt verschiedene Ausdrucksweisen, wenn von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen gesprochen wird. Ich höre und lese von Gehandicapten, Menschen mit Beeinträchtigung oder Lerneinschränkungen, behinderten Menschen, Menschen mit Behinderung. Wie schreibe und sage ich es richtig?

Das ist eine sehr schwierige Frage, weil uns das auch so geht. Gehe ich von der politisch allgemein ausgedrückten Form aus, spricht man von Menschen mit Behinderungen. So handhabt es auch die Aktion Mensch. Es kann sein, dass die Zielgruppen je nach Bereich eine andere Formulierung wünschen. Wenn jemand sagt, er oder sie möchte anders bezeichnet werden, dann respektiere ich das.

Mein Eindruck und meine Erfahrungen sind, dass es in Unternehmen noch viel Nachholbedarf gibt, Menschen mit Behinderung zu integrieren. Wie ist Deine Erfahrung? Gibt es dabei Unterschiede hinsichtlich Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung?

Laut den Statistiken wurden in den letzten 3 Jahren weniger Menschen mit Behinderung eingestellt. Es gibt wieder viel mehr langzeitarbeitslose Menschen mit Behinderungen. Das ist sicherlich Corona geschuldet. Vor Corona waren wir der Inklusion am Arbeitsplatz näher, denn die Einstellungszahlen waren seit 2016 positiv in die Höhe gegangen.

An manchen Stellen fängt man wieder von vorne an, Arbeitgebenden die Unterschiede zu erklären. Angenommen, ich habe einen körperlich beeinträchtigten Menschen, der eine Ausbildung gemacht hat und sein Fachgebiet versteht. Dann muss ich vielleicht in Anführungsstrichen „nur“ dafür sorgen, dass eine Rampe vorhanden und der Arbeitsplatz barrierefrei eingerichtet ist. Hier muss ich Aspekte der Kommunikation nicht besonders berücksichtigen.

Integriere ich aber Menschen mit einer kognitiven Behinderung, dann muss ich anders kommunizieren und mich als Arbeitgebender auf Leichte Sprache einstellen. Wie gebe ich Arbeitsanweisungen, damit der Mensch versteht, was ich von ihm möchte? Muss ich vielleicht mit speziellen Software-Programmen arbeiten oder bei Gehörlosen mit einem Gebärdendolmetschenden? Bei blinden Menschen gibt es Hilfsmittel, die bei der Arbeit am Computer gebraucht werden. Benötige ich einen Screenreader oder eine Brailleschrift-Tastatur?  Inklusion am Arbeitsplatz ist kein Hexenwerk. Der betroffene Mensch weiß am besten, was ihm hilft. Unternehmen können umfangreiche Unterstützung durch externe Stellen erhalten, beispielsweise durch den Integrationsfachdienst oder Inklusionsberatungen des Jobcenters.

Was wünschst du dir denn in deiner Rolle als Behindertenbeauftragte der Stadt Bonn von hiesigen Arbeitgebern?

Als Behindertenbeauftragte wünschen wir uns, dass bei den Arbeitgebenden das Thema Inklusion und Teilhabe höher auf der Prioritätenliste steht. Dass Menschen mit Behinderung öfter eine Chance erhalten, in einem Unternehmen anzukommen. Natürlich benötigen diese Menschen manchmal mehr Zeit für die Einarbeitung. Unternehmen melden uns aber auch zurück, wie wertvoll es ist, diesen Prozess zu gehen. Weil es sensibilisiert, weil es ein Wir-Gefühl stärken kann, weil vielleicht genau die unkonventionelle Art des Mitarbeitenden mit Behinderung dazu beiträgt, dass man auch mal ganz anders denkt.

Durch meine Tanzkurse tauche ich in eine andere Kultur ein. Wenn ich Gehörlosen begegne oder mit Menschen mit geistiger Behinderung tanze, lerne ich deren Art des Lebens kennen. Ich finde es sehr, sehr bereichernd und extrem motivierend mitzubekommen, wie sie ihr Leben gestalten. Deswegen fände ich es schön, wenn Arbeitgebende mehr Mut hätten, sich auf Menschen mit Behinderung einzulassen.Schließlich gibt es verschiedene Partner und Partnerinnen auf dem Arbeitsmarkt, die Unternehmen dabei begleiten. Oftmals gibt es auch finanzielle Unterstützung.

Siehst du da besondere Anforderungen an Führungskräfte?  

Ich sag es mal so: In allen Unternehmen steht das Thema Diversity groß auf der Fahne. Diversity bedeutet Vielfalt und es bedeutet, Vielfalt akzeptieren. Eine Haltung dem Gegenüber zu haben, dass es Menschen gibt, die sehr unterschiedlich sind, die aus anderen Kulturen kommen, die unterschiedliche Fähigkeiten haben. Da die Verpflichtung zum Thema Diversity in Unternehmen schon da ist, müssen sie nichts anderes machen, als Diversity zu übertragen.

Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie allen Menschen gegenüber eine gute Haltung, einen respektvollen und verständnisvollen Umgang zeigen. Manchmal geht es um eine Enttabuisierung. Den Mitarbeitenden sollte Raum für ihre Unsicherheiten gegeben werden, dass sie Fragen zum Umgang mit Menschen mit Behinderung stellen oder Ängste äußern können.

Wird das Thema Diversity in Unternehmen zu oberflächlich betrachtet?

Das würde ich jetzt nicht so pauschalisieren. Wir können uns immer fragen: Wie sieht das aus mit den CSR-Berichten, wie sieht es aus mit Leitbildern in Unternehmen? Wir wissen ja alle, wie sowas entsteht.  Es hat immer etwas mit Haltung der Menschen im Unternehmen zu tun. Führungskräfte nehmen dabei eine ganz wichtige Rolle ein. Eine Führungskraft muss eine Haltung vorleben.  Sie muss gegensteuern, wenn Diversity nicht in dem Sinne des Unternehmens gelebt wird. Ich würde niemandem unterstellen, dass Diversity grundsätzlich ein Feigenblatt ist.

Wir hören oft: Wenn ich Zeit habe, dann kümmere ich mich um Inklusion. Darauf reagieren wir allergisch, wenn wir erst darauf hinweisen müssen, dass wir eine UN-Behindertenrechtskonvention seit 2009 haben. Das ist nicht nur ein Papier, das irgendwelche sozialen Einrichtungen mit Menschen mit Behinderungen betrifft. Inklusion und Teilhabe betrifft die gesamte Gesellschaft. Teammitglieder in Unternehmen können ihren Beitrag leisten, um Kolleginnen und Kollegen mit Behinderung zu integrieren. Zum Beispiel Brücken bauen, wenn es darum geht, gemeinsam das Mittagessen einzunehmen. Oder echtes Interesse bei der Kollegin zu zeigen, wie denn der Screenreader funktioniert. Bei Betriebsausflügen können Menschen mit Behinderung im Orgateam mitmachen, damit auch wirklich alle an dem Teamevent teilnehmen können.

Inklusion hat immer was mit Einlassen zu tun. Das habe ich in der langjährigen Zusammenarbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung gelernt. Mich einzulassen auf die Art und Weise, wie kommuniziert wird. Selbst wenn der Mensch eben nicht das gesprochene Wort beherrscht, sondern man zwischen den Zeilen lesen muss, was er damit ausdrücken möchte. Ich erlebe oft, wieviel kluge Sachen diese Menschen sagen und bin manchmal fasziniert von der Art und Weise, wie sie es ausdrücken.

Im Rahmen von WirWirkt-Teamworkshops gehe ich manchmal mit Teams in gemeinnützige Organisationen, damit sie andere Lebens- und Arbeitswelten erleben und Ungewohntes außerhalb ihrer Komfortzone spüren. Was könnten Teams lernen, wenn sie einen Tag lang Menschen mit Behinderungen begleiten und sich austauschen?

Als erstes lernen sie, dass es nicht DEN Menschen mit Behinderungen gibt. Also, dass es nicht eine einzige Behinderungsart gibt, weil es vielleicht medial eher einseitig dargestellt wird. Ich habe das gerade mit jungen Frauen und Männern, die Architektur studieren, erlebt. Bei Barrierefreiheit dachten sie zunächst nur an den Aufzug, vielleicht noch an einen sprechenden Aufzug oder an eine Rampe für Rollstühle. Ihnen war es nicht bewusst, dass es auch kleinwüchsige Menschen gibt oder dass man mit Leichter, Einfacher Sprache arbeiten sollte. Oder dass es für gehörlose Menschen ganz andere Signale braucht. Und das ist das, was Teams lernen können: Wie individuell Menschen sind und wie individuell Menschen mit Behinderung kommunizieren.

Lernt man Menschen mit Behinderung etwas näher kennen, sind viele überrascht, wie selbstständig bestimmte Dinge auch funktionieren oder dass Menschen mit Behinderungen ihre Mechanismen haben, um Dinge zu bewältigen. Teammitglieder erfahren oft, wie gut es ihnen eigentlich geht. Im Austausch mit Menschen mit Behinderungen entstehen manchmal ganz tiefe Beziehungen, sodass daraus ein ehrenamtliches Engagement erwächst.

Gibt es etwas, was du mich doch fragen möchtest?

Ja, wie schaffst du es Unternehmen dafür zu begeistern, im Rahmen einer Teambuilding-Maßnahme soziales Engagement zu zeigen?

Ehrlich gesagt ist das nicht einfach. Die Grundidee, im Rahmen einer Teamentwicklung ein soziales Projekt zu integrieren, finden die meisten toll. Schwieriger wird es, diese soziale Komponente wirklich in einem Workshop umzusetzen. Da fehlt es schon mal an Mut. Zum Teil liegt es an Berührungsängsten. Also, können wir den Teammitgliedern zumuten, mit Obdachlosen, Flüchtlingen oder Menschen mit Behinderungen in Kontakt zu kommen? Denn das bedeutet für die Mitarbeitenden oft, weit aus der Komfortzone herausgehen. Das kann abschreckend wirken. Und dann ist es oft schlicht ein Ressourcenthema. Manche Unternehmen wollen oder können sich diesen zusätzlichen Workshoptag nicht leisten, um ihn in eine Teamentwicklung einzubetten.  Auch wenn sich dadurch nachhaltig Wirksames auf die Beine stellen ließe.

Und dann lag Marion noch etwas auf dem Herzen. Einen Wunsch, den sie mit auf dem Weg geben wollte:

Wenn wir als Behinderten-Gemeinschaft Bonn mit Unternehmen bei einem Freiwilligentag, einem social day, zusammenarbeiten, ist das ein gemeinsames Abenteuer. Wir überlegen unkonventionelle Settings oder Projekte, bei denen der Dialog im Vordergrund steht. Ich wünsche mir, dass sich mehr Unternehmen auf ein Experiment mit uns einlassen. Da kommen meistens coole Sachen heraus. Menschen mit Behinderungen fühlen sich wertgeschätzt, wenn ihnen ehrliches Interesse entgegengebracht wird. Sie wollen keine Almosen. In meinem Runden erlebe ich, dass Menschen mit Behinderung nach solchen Begegnungen dürsten, bei denen sie aus ihrem regulären Alltag herauskommen. Sie lernen viel daraus und entwickeln sich selbst weiter. Letztendlich profitieren immer beide Seiten von der gemeinsamen Aktion.


In der WirWirkt Kaffeepause treffe ich mich mit Frauen und Männern aus meinem Netzwerk, die etwas zu sagen haben. Wir sprechen über Themen rund um Teamentwicklung, Teambuilding, Teamcoaching, Teamworkshops, Führung, Change, Veränderungen in der Arbeitswelt.