WirWirkt Kafeepause mit… Florian Bräuer, Product Lead für Performance Marketing and Digital Sales bei YELLO.
Ich spreche mit Florian, weil
in seinem Arbeitsumfeld nicht über agiles Arbeiten gesprochen, sondern praktiziert wird.
ihn Re-Teaming in Post-Corona-Zeiten vor echt große Herausforderungen als agile Führungskraft stellt.
ich ihn im Ehrenamtskontext als engagiert und verbindlich agierenden Kommunalpolitiker schätzen gelernt habe.
Was ist dein Beruf?
Ich bin Product Lead für das Performance Marketing and Digital Sales. Der Product Lead ist eine von fünf Führungsdimensionen, die wir unterscheiden: Leading myself, leading business, leading people, leading excellence und leading product. Als Product Lead, anders auch als Product Owner bekannt, stelle ich die Marktfähigkeit des Produktes und die Ausrichtung des Teams sicher.
Ich habe vor zehneinhalb Jahren bei Yello als Werkstudent im Online Marketing angefangen. In meine jetzige Rolle bin ich gekommen, als wir vor anderthalb Jahren eine Transformation hatten und die Teams ganz neu zusammengestellt wurden. Ich übernahm ein Team, das relativ stabil war, da der Kern aus dem bisherigen Performance Marketing bestand. Zuvor habe ich einige Jahre in der Geschäftssteuerung gearbeitet und diese auch 2019 bis zur Reorganisation als Product Lead geführt.
Wie schaffst du es, dass gute Energie bei Euch im Team fließt?
Das Wichtigste ist, dass wir Wertschätzung und Respekt vor der Arbeit der anderen haben. Jeder gibt hier sein Bestes. Trotz oder gerade wegen Home-Office nutzen wir die gemeinsame Zeit im Büro intensiver. Wir haben regelmäßige Austauschtermine. Jeden Montag- und Freitagmorgen treffen wir uns eine halbe Stunde ohne Agenda und fragen einfach nur: „Wie geht es dir? Wie war das Wochenende?“, damit das Persönliche nicht wegfällt.
Und wir machen regelmäßig Teamevents. Wir waren jetzt zum Beispiel in Stuttgart und haben unser Pendant-Team aus dem Konzern getroffen. Dann waren wir abends noch unterwegs, um uns auch privat auszutauschen. Dieser Mix aus Respekt vor der Arbeit der anderen, aber auch persönlich gut miteinander zu können, ist ein sehr schönes Rezept. Demnächst sind wir bei den Baseballern der Bonn Capitals. Wir trainieren erst zusammen und schauen dann gemeinsam ein Spiel. Da wir das am Wochenende machen, kam aus den Reihen des Teams die Idee, Partner:innen und Kinder mitzubringen. Das fanden alle super, sodass daraus jetzt ein Familienevent wird. Das zeigt ein extremes Vertrauen in das Team, wenn ich quasi zu meiner Arbeit meine Familie mitbringe und mich so in einem intimen Kreis öffne.
Welche Tools aus dem agilen Werkzeugkoffer schätzt dein Team besonders?
Das wichtigste Tool ist Verantwortung und Selbstorganisation, was für mich sehr relevant in so einem agilen Kontext ist. Dass man tatsächlich die Verantwortung für seine Themen übernimmt und nicht in der Hierarchie nach oben schaut, ob das abgenickt wird oder nicht. Mein Job ist nicht, alles abzuhaken. Mein Job ist es, eine strategische Weiterentwicklung für das Team zu ermöglichen und Enablement zu schaffen, dass die Kolleginnen und Kollegen ihren Job machen können ebenso wie eine Vision für mein Produkt „Performance Marketing“ zu entwickeln. Darüber hinaus nutzen wir agile Rituale wie Dailys oder Weeklys ebenso wie Tools wie z.B. Azure DevOps.
Kann Verantwortung und Selbstorganisation jede Person lernen?
Wichtig ist, dass man gemeinsam im Team definiert, was Verantwortung ist und bis wohin ich Verantwortung übernehme, also auch Grenzen auslote. In diesem agilen Kontext gibt es durchaus noch verschiedene Definitionen dessen, wo ich Verantwortung sehe und wo Teile des Teams die Verantwortung sehen. Das ist ein Lernprozess für alle. Es muss aber dennoch klar sein, dass es auch Menschen und Kolleg:innen gibt, die in einem engeren Rahmen Verantwortung übernehmen wollen. Bei uns im Performance Marketing haben die Leute aber auch einfach Lust, Leistung zu bringen, Verantwortung für Themen zu übernehmen und ganzheitlicher zu denken.
Home-Office ist gerade seit Corona bei Euch im Unternehmen gängige Praxis. Es ist den Mitarbeitenden weitestgehend freigestellt, im Home-Office oder im Büro zu arbeiten. Wie bewertest du die Entwicklung aus Sicht einer agilen Führungskraft?
Ist sehe da durchaus positive, aber auch herausfordernde Aspekte. Das Positive vorweg. Man ist nicht mehr lokal gebunden, um Fachkräfte zu finden. Wir haben Kollegen in München und in Hamburg sitzen. Das ist egal. Wir haben wirklich die Auswahl, national die bestgeeigneten Leute zu finden. Das ist ein riesiges Asset, das wir hier bieten können. Wir ermöglichen, dass die Mitarbeitenden ihr privates Leben deutlich besser in ihr berufliches Leben integrieren können.
Herausfordernd ist das ganze Thema Bekenntnis zum Unternehmen. Wir Yellos haben schon seit jeher eine sehr starke und besondere Kultur. Menschen in Bewerbungsgesprächen sind meist sofort gepackt von der Kultur, die wir hier leben. Davon, wie wir miteinander umgehen, wie wir arbeiten, wie wir ticken. Das ist sicherlich ein Thema, was in Home-Office Zeiten schwächer wird. Man kann Kultur nicht Eins zu Eins übertragen auf eine digitale Welt.
Da braucht es andere Instrumente, um eine Kultur in ein digitales Zeitalter der Unternehmen zu übertragen und weiterzuentwickeln. Aktuell erproben wir das hybride Arbeiten und versuchen eine neue Balance zu finden, zwischen Remote-Arbeit und persönlichen Treffen vor Ort, die das Beste aus beiden Welten vereint. Zum Beispiel treffen wir uns jeden vierten Mittwoch zu einem Weekly, um mit der Geschäftsleitung die Top-Themen zu besprechen. Dann ist hin und wieder auch zum Beispiel ein Kaffeewagen vor Ort und es gibt ein Frühstück, sodass das Meeting mehr Eventcharakter bekommt.
Du entwickelst dich in deiner Führungsrolle zum Event-Manager?
Zu Teilen bestimmt, die Anforderungen dahingehend steigen. Es ist interessant zu beobachten, dass die Nachfragen steigen, wann denn das nächste Teamevent sei. Da hat sich eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt, dass mindestens einmal im Quartal ein cooles Event gemacht werden muss. Hieran erkennt man allerdings, dass der Wunsch nach persönlichem Austausch vorhanden ist und man als Team etwas zusammen erleben möchte.
Welche Fehler hast du als Product Lead gemacht, die du definitiv nicht noch einmal erleben oder machen möchtest?
Nennen wir die Fehler mal Lerngeschenke, wie mein Chef sagt. Es ist ein Unterschied, ob du als Fachexperte mit Tools arbeitest oder nun als Product Lead mit Menschen. Ich bin eine wahnsinnig ungeduldige Person, was sehr herausfordernd für meinen jetzigen Job ist. In einer früheren Station in der Vertriebssteuerung konnte ich viel über Tools steuern. Das ändert sich, wo ich mit vielen individuellen Persönlichkeiten in meinem Team zusammenarbeite, die alle ihr eigenes Tempo haben. Das ist auf jeden Fall eine persönliche Herausforderung. Ich kann nicht auf eine große heterogene Gruppe an Menschen ein homogenes Ziel setzen. Das passt nicht. Ich habe zum Glück ein super Team, was mir auch rechtzeigt signalisiert, wenn es reicht. Da haben wir eine super Feedback-Kultur.
Du bist seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Was konntest du dort für deine berufliche Praxis im Hinblick auf erfolgreiche Teamarbeit lernen?
Ich fasse das gerne unter dem Thema Loyalität zusammen. Wenn Menschen aufeinanderprallen und es ein Thema zu lösen gilt, gibt es verschiedene Wege. Mir ist wichtig, dass man intern auch sehr kontrovers diskutiert und sich fachlich vor den Kopf stößt – ruhig auch mal mit 20, 30 Dezibel mehr. Dann entscheidet man sich und vertritt anschließend die Entscheidung gemeinsam. Ich halte das für wichtig, dass es kein Nachtreten gibt. Ist einmal die Entscheidung gefallen, muss man sich in die Augen schauen und dann zusammen ein Bier trinken können.
Das schätze ich in der Kommunalpolitik. In den Ausschüssen diskutieren wir sehr kontrovers, treffen uns nach den Sitzungen aber trotzdem noch alle auf ein Bierchen. Wir können diese Fachlichkeit von der Person trennen. Das zu lernen, hat mir sehr geholfen und das lebe ich auch bei Yello. Salopp gesagt: Wenn die Idee Mist ist, ist nicht gleich der Mensch ein schlechter. Viele Leute müssen das aber noch verinnerlichen zu lernen.
Und in der Politik arbeitest du mit vielen verschiedenen Typen Mensch zusammen, die alle unterschiedliche Ziele haben. Genauso wie in einem Unternehmen. Einige haben das Ziel, die beste Arbeit abzuliefern. Oder das Ziel, um 16 Uhr Feierabend zu machen. Oder das Ziel, Geschäftsführerin zu werden. Das sind alles vollkommen legitime Ziele, die sich nicht unbedingt ausschließen müssen, sondern uns als Team voranbringen. Wichtig ist, unterschiedliche Perspektiven als Bereicherung zu sehen und nicht als Show-Stopper. Alle Ziele unter einen Hut zu bekommen, und das Beste für das Team zu erreichen, das ist die Herausforderung.
Ein Beispiel: Ich habe einen Kollegen, mit dem ich fachlich lange partout keinen Nenner gefunden habe. Dann haben wir über seine Ziele gesprochen. Er sagte: „Florian, ich wurde auf ein Thema gesetzt, worauf ich keinen Bock habe. Ich habe für etwas anderes unterschrieben. Meine Passion liegt woanders.“ Dann haben wir auf seinen Lernpfad, auf seinen Werdegang geschaut, was er machen möchte und das umgesetzt. Ich möchte diesen Kollegen nicht mehr missen. Er ist ein ganz wichtiger Teil im Team. Dadurch hat es bei mir Klick gemacht. Es fehlt oft einfach die fehlende Passung auf die Themen. Passen hingegen Skillset und charakterlicher Drive zu der Stelle, füllen Menschen ihre Positionen ganz besonders und einzigartig aus. Darauf achte ich bei Team-Konstellationen.
Gibt es etwas, das du mich noch fragen möchtest?
Nein, tatsächlich nicht. Ich bin gespannt, was dir Menschen aus anderen Unternehmen zum Umgang mit Agilität berichten. Gefühlt ist das eher ein Thema für größere Unternehmen. Für mich scheint das kein Thema zu sein, wo sich typische Kleinst- und Mittelständler drum kümmern. Straf’ mich Lügen.
In der WirWirkt Kaffeepause treffe ich mich mit Frauen und Männern aus meinem Netzwerk, die etwas zu sagen haben. Wir sprechen über Themen rund um Teamentwicklung, Teambuilding, Teamcoaching, Teamworkshops, Führung, Change, Veränderungen in der Arbeitswelt.